Im Gedenken an „100 Jahre Hyperinflation“ zeichnen wir die Entwicklung der rasanten Geldentwertung des Jahres 1923 anhand ausgewählter Geldscheine aus unserem Bestand nach. Wir starten unseren Rückblick mit den ersten fünf Monaten. Die Ursachen der dramatischen Geldentwertung reichen zurück bis zum Ersten Weltkrieg: Zur Finanzierung der Kriegskosten wurde seitens der Reichsregierung die Golddeckung der Mark aufgekündigt. Sie hatte bis dato die Stabilität der Währung garantiert. Folglich konnte Papiergeld seit dem Kriegsbeginn am 4. August 1914 nicht mehr gegen Edelmetallmünzen eingelöst werden.

 

Banknote der Reichsbank über 100 Mark vom 7. Februar 1908. Bis Kriegsbeginn konnten die Banknoten im Kaiserreich jederzeit gegen Gold- und Silbermünzen eingetauscht werden. Vorder- und Rückseite präsentieren das Selbstverständnis des Kaiserreichs: Die mittelalterliche Kaiserkrone zeigt, dass man sich als Nachfolger des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verstand. Die Germania unter dem Eichenbaum auf der Rückseite verkörpert Deutschland, davor repräsentieren allegorische Gegenstände aus Industrie und Handel die Wirtschaftskraft des Reiches. Das Aufgebot an Kriegsschiffen im Hintergrund zeugt von dem wilhelminischen Flottenbauprogramm. Die maritime Aufrüstung forderte die bisherig vorherrschende Seemacht England heraus und trug in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 mit dazu bei, dass die europäischen Mächte in den Ersten Weltkrieg „schlafwandelten“ (Christopher Clark).

 

Während des Krieges verlor die Mark sukzessive an Kaufkraft, bis diese nur noch die Hälfte betrug. Der anfängliche Plan, durch einen „Siegfrieden“ die Kriegskosten auf die Besiegten abzuwälzen, löste sich mit der Deutschen Kapitulation am 11. November 1918 in Luft auf. So war Deutschland zum Zeitpunkt des Kriegsendes hoch verschuldet. Zusätzlich bürdete das Friedensdiktat von Versailles 1919 dem Reich derart hohe Kriegsreparationen auf, dass diese durch die eigene Wirtschaftskraft nicht finanziert werden konnten. Als Ausweg blieb nurmehr eine drastische Ausweitung der Geldmenge die zur Folge hatte, dass die Mark 1920, verglichen mit dem Vorkriegsstand von 1914, gegenüber dem US-Dollar nur noch 1/10 ihres Wertes besaß: 1914 bekam man für 4,20 Mark einen US-Dollar, 1920 mussten dafür bereits 42 Mark auf den Tisch gelegt werden.

 

Banknote der Reichsbank über 50 Mark vom 23. Juli 1920. Verglichen mit dem Jahr 1914 besaß die Mark im Jahr 1920 gegenüber dem US-Dollar nur noch 1/10 ihres Wertes. Die Vorderseite zeigt das Porträt eines Mädchens mit Blumenkranz und Früchten, die Rückseite Allegorien der Landwirtschaft und der Industrie.

 

Die Deckung der Kosten über die Notendruckerpresse blieb das Mittel der Wahl. Ende 1921 hatte die Mark weiter an Wert verloren. Im Vergleich zum August desselben Jahres war sie nun nur noch 1/100 eines US-Dollars wert. Ende 1922 sank der Wert auf 1/1000. Symptomatisch für den bereits 1922 einsetzenden Übergang von der galoppierenden Inflation in eine Hyperinflation ist die 5.000-Mark-Note der Badischen Bank vom Dezember 1922. Im Gegensatz zur galoppierenden Inflation mit schnell steigenden Preisen und einer Inflationsrate von über 20%, prägen die Hyperinflation eine gigantische Preissteigerung mit einer Inflationsrate von über 50% sowie eine sich verschnellernde Umlaufgeschwindigkeit des Geldes: Um weiteren Preissteigerungen zuvorzukommen, wird das Geld möglichst rasch wieder für Güter ausgegeben und die immer schneller erfolgende Nachfrage führt gleichsam zu immer schnelleren Preissteigerungen.

 

Banknote der Badischen Bank über 5.000 Mark vom 1. Dezember 1922. Das ungewöhnlich hohe Nominal ist eine Folge der bereits Ende 1922 einsetzenden Hyperinflation. Die Vorderseite zeigt die beiden Greifen aus dem Wappen des Großherzogtums Baden. Auf der Rückseite tötet der heilige Georg den Drachen. Er ist von allegorischen Darstellungen der Wissenschaft, des Handwerks, der Industrie und der Mutterschaft umgeben.

 

Nicht einmal durch die drastische Geldmengenausweitung konnten die Reparationsforderungen der Alliierten bedient werden. Daraufhin besetzten französische und belgische Truppen zwischen dem 11. und 16. Januar 1923 kurzerhand Teile des stark industrialisierten Ruhrgebiets als „produktives Pfand“ für die ausstehenden Reparationszahlungen. Eine militärische Reaktion seitens Deutschlands war ausgeschlossen. Daher rief die Reichsregierung unter dem Kanzler Wilhelm Cuno (1876–1933) die Bevölkerung im okkupierten Gebiet zum passiven Widerstand auf. Die Lohnfortzahlung wurde den Streikenden von der Reichsregierung garantiert. Aufgebracht werden konnten diese enormen Summen wiederum nur mit Hilfe der Druckerpresse. Dadurch befeuert nahm die Hyperinflation an Fahrt auf: Kostete Anfang des Jahres 1922 ein US-Dollar noch 200 Mark, lag der Wechselkurs der Mark zu einem Dollar am 18. Januar 2023 bereits bei 25.000 Mark. Dieser Wertentwicklung trug im Februar 1923 eine Reichsbanknote über 100.000 Mark Rechnung.

 

Banknote der Reichsbank über 100.000 Mark vom 1. Februar 1923. Zum Ausgabezeitpunkt war die Banknote nur mehr 2,40 US-Dollar wert. Die Vorderseite des Scheins zeigt das Porträt des Danziger Hansekaufmanns Georg Giese nach einem Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren (1497/1498–1543). Das Porträt entstand 1532 in London, als Giese im dortigen Hanse-Kontor für die Kölner Hanseniederlassung tätig war.

 

In der Weimarer Republik, lag wie auch schon im Kaiserreich das Monopol zur Emission von Banknoten nicht ausschließlich bei der Reichsbank. Nach dem Ersten Weltkrieg existierten noch vier private Notenbanken: Die Badische Bank, die Sächsische Notenbank, die Württembergische Bank und die Bayerische Notenbank. Die Hyperinflation stellte die deutschen Notenbanken bei der Produktion von Geldscheinen vor eine große Herausforderung: Der Wert der geplanten, entworfenen und schließlich gedruckten Banknoten entsprach bereits zum Ausgabezeitpunkt nicht mehr der eigentlich anvisierten Kaufkraft. Die Banknotenherstellung kam der Geldentwertung nicht hinterher. So gab die Bayerische Notenbank am 1. März 1923 eine Note zu 20.000 Mark heraus, deren Gegenwert zum Ausgabezeitpunkt bei nur mehr einem US-Dollar lag.

 

Banknote der Bayerischen Notenbank über 20.000 Mark vom 1. März 1923. Die Notenbanken des Reiches hinkten bei der Produktion neuer Banknoten der rasanten Geldentwertung hinterher: Zum Ausgabezeitpunkt war der Nennwert des Geldscheins – gemessen an der Kaufkraft – oftmals bereits zu niedrig. Während bei dieser Banknote die Vorderseite Guillochen und Ornamentik zeigt, ziert das bayerische Staatswappen die Rückseite.

 

Gegenüber dem Dollar erholte sich der Kurs der Mark im März und in der ersten Aprilhälfte 1923 ein wenig. Folglich gab es auch in dieser Zeit wieder zuversichtliche Prognosen, dass sich die Hyperinflation begrenzen lassen könnte. Doch nach dieser kurzen Phase der Stagnation kam die Hyperinflation Mitte April wieder ins Rollen: Innerhalb eines Monats stieg der Wechselkurs zum Dollar von 20.000 Mark auf 30.000 Mark. Es war nur folgerichtig, dass die Reichsbank am 1. Mai 1923 bereits eine Note zu 500.000 Mark herausgab. Die für die Zeitgenossen unglaublich hohen Nominale des Frühjahrs 1923 mit bereits sechsstelligen Nennwerten sollten jedoch noch lange nicht den Höhepunkt der Geldentwertung im Krisenjahr 1923 darstellen.

 

Banknote der Reichsbank über 500.000 Mark vom 1. Mai 1923. Die Reichsbank musste sich hinsichtlich ihrer Banknoten der immer schneller voranschreitenden Hyperinflation anpassen. Die Vorderseite der Banknote zeigt zwei schlichte Kopfpaare mit Freiheitskappen, rückseitig prangt der Reichsadler als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches.